Frankreichs Nationalversammlung beschließt Verschiebung der Rentenreform
Im Ringen um eine stabile Regierung hat Frankreichs Nationalversammlung die geplante Rente mit 64 vorerst auf Eis gelegt. Die Abgeordneten stimmten am Mittwoch mit 255 zu 146 Stimmen für das Aussetzen der bereits seit 2023 geltenden Reform bis Anfang 2028. Die Heraufsetzung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre galt als bislang wichtigste Reform von Präsident Emmanuel Macron.
"Wir brauchen Stabilität in diesem Land", kommentierte Verkehrsminister Jean-Pierre Farandou die Entscheidung. Premierminister Sébastien Lecornu hatte den Sozialisten ein Aussetzen der Rentenreform angeboten, um eine monatelange Regierungskrise zu beenden. Er ist auf die Stimmen der Sozialisten angewiesen, um den Haushalt 2026 durch das Parlament zu bekommen.
Für das Aussetzen der Reform bis zum Januar 2028 stimmten nun die Sozialisten, die Grünen und die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN). Das Mitte-Rechts-Regierungslager enthielt sich überwiegend. Die linkspopulistische Partei La France Insoumise (LFI) stimmte dagegen, weil ihr das Aussetzen der Rentenpläne nicht weit genug geht. LFI fordert die Abschaffung der Rentenreform und wirft den Sozialisten vor, ihr früheres Wahlbündnis verraten und sich der Regierung verkauft zu haben.
Die Regierung bezifferte die Kosten für das Aussetzen der Reform zuletzt auf 300 Millionen Euro für 2026 und 1,9 Milliarden Euro für 2027. Die Regierung will dies durch Sparmaßnahmen ausgleichen. Bislang ist aber unklar, wie dies genau finanziert werden soll.
Frankreich hat derzeit das höchste Haushaltsdefizit in der Eurozone, die höchste öffentliche Verschuldung in absoluten Zahlen mit 3,4 Billionen Euro und die dritthöchste Verschuldung der Eurozone im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt - hinter Griechenland und Italien. Zwei Ratingagenturen haben die Kreditwürdigkeit Frankreichs wegen der bestehenden politischen Instabilität herabgestuft.
Der Fraktionschef der Präsidentenpartei Renaissance, Gabriel Attal, betonte, seine Partei habe sich "nicht leichten Herzens, aber mit klarem Verstand" zu der Entscheidung durchgerungen. Er plädierte dafür, auf das Festsetzen eines Rentenalters zu verzichten und nur die Beitragszeit zu berücksichtigen.
Die Rentendebatte dürfte damit das bestimmende Thema im Präsidentschaftswahlkampf werden. Attal bringt sich derzeit als Kandidat des Regierungslagers für die 2027 anstehende Wahl in Stellung. Macron darf nach zwei Amtszeiten nicht direkt wieder antreten.
Das Aussetzen der Rentenreform ist in den Haushalt der Sozialversicherung integriert und wird anschließend noch im Senat debattiert. Die konservativ geprägte zweite Kammer des Parlaments könnte den Schritt wieder rückgängig machen. In dem Fall wird ein Vermittlungsausschuss eingesetzt.
Die Gewerkschaft CGT hatte bereits vor der Abstimmung für den 2. Dezember zu einem Streik- und Aktionstag aufgerufen. Gewerkschaftschefin Sophie Binet appellierte an die Abgeordneten, sich für eine "Blockade der Reform für alle Generationen" einzusetzen. Ein bloßes Aussetzen sei nicht ausreichend, betonte sie im Sender BFM.
Die Regierung steht unter Druck, bis Ende des Jahres den Haushalt zu verabschieden. Dafür sind die Stimmen der Sozialisten entscheidend.
Wegen des Haushaltsstreits wurden bereits zwei Premierminister gestürzt, der amtierende Regierungschef Lecornu hatte aus demselben Grund seinen Rücktritt eingereicht, wurde dann aber wieder von Macron ernannt. Hintergrund ist, dass die von Macron vorgezogene Parlamentswahl im Sommer vergangenen Jahres zu einem politischen Patt in der Nationalversammlung geführt hatte.
Die Rentenreform soll bis zum Januar 2028 ausgesetzt werden. Falls bis dahin keine neue Lösung gefunden wird, soll sie dann automatisch in Kraft treten.
Q.Dupre--PP