

Zweiter Durchgang von Kanzlerwahl im Bundestag begonnen
Im Bundestag hat am Dienstagnachmittag der zweite Durchgang der Wahl von CDU-Chef Friedrich Merz zum Bundeskanzler begonnen. Das Parlament nahm dazu nach einer mehrstündigen Unterbrechung seine Sitzung wieder auf. In der Pause hatten die Fraktionen über das weitere Vorgehen nach dem überraschenden Scheitern des ersten Wahlgangs beraten. Dabei ging es auch um die juristische Prüfung der Frage, ob noch am Dienstag kurzfristig ein zweiter Durchgang angesetzt werden konnte.
Ein entsprechender Antrag auf Fristverkürzung erreichte bei Wiederaufnahme der Sitzung die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit. Der Antrag war gemeinsam von Union, SPD, Grünen und Linken eingebracht worden. "Es geht um die Handlungsfähigkeit des Staates", sagte Unions-Parlamentsgeschäftsführer Steffen Bilger (CDU) zur Begründung. "Deutschland braucht eine Regierung."
Die scheidende SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast appellierte an die Abgeordneten, mit der Wahl von Merz zum Kanzler eine stabile Regierung zu ermöglichen. "Es geht für uns darum, dieser Verantwortung gerecht zu werden - und diese Verantwortung ist groß. Sie ist größer als jeder einzelne Abgeordnete, der hier im Haus sitzt."
Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic sagte die Zustimmung ihrer Fraktion zur Abhaltung des zweiten Wahlgangs zu. Dies dürften Union und SPD aber "nicht mit einer Zustimmung zu ihrer Politik verwechseln", betonte Mihalic. Es sei ein "historischer Moment, weil Sie als CDU, CSU und SPD, die miteinander einen Koalitionsvertrag vereinbart haben, nicht in der Lage waren, die notwendige Mehrheit für ihren Kanzlerkandidaten hier im Parlament zu bekommen".
Linken-Geschäftsführer Christian Görke sprach von einer "krachende Niederlage" für Merz, aber auch für SPD-Chef Lars Klingbeil. Dies sei die Quittung für einen "wirklich schlechten Koalitionsvertrag". Die Linke stimme dem zweiten Wahlgang zu, weil sie "Klarheit" wolle "in der Sache, wie es mit diesem Land weiter geht".
Auch der parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Bernd Baumann, sagte die Zustimmung seiner Fraktion zu der Fristverkürzung für den zweiten Wahlgang zu. Die Ankündigung verband der AfD-Politiker mit scharfer Kritik an Merz. "Diese Regierung beginnt in äußerster Instabilität", so Baumann. "Die eigenen Abgeordneten verweigerten ihm die Gefolgschaft", sagte er mit Blick auf Merz.
Merz hatte bei der geheimen Abstimmung im ersten Anlauf nur 310 Stimmen und damit sechs weniger als nötig erhalten. Union und SPD haben zusammen im Bundestag eigentlich 328 Abgeordnete. Damit scheiterte zum ersten Mal in der bundesdeutschen Geschichte ein Kanzlerkandidat im ersten Wahlgang.
Sollte der CDU-Chef im zweiten Anlauf die nötige Mehrheit der Stimmen erhalten, wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihn auf Schloss Bellevue zum zehnten deutschen Bundeskanzler ernennen. Mit der Entgegennahme der Ernennungsurkunde geht die Amtsgewalt auf den neuen Kanzler über. Die ursprünglich für den Vormittag angesetzte Ernennung wurde verschoben.
Nach der Ernennung muss Merz dann im Bundestag seinen Amtseid ablegen. Dies war einer vorläufigen Planung des Parlaments zufolge für 18.15 Uhr angedacht. Zudem müssen noch die Kabinettsmitglieder von Steinmeier ernannt und im Bundestag vereidigt werden, dies war gegen 19.50 Uhr geplant.
E.Pelletier--PP